Lesestoff


Sound Of The Cities

Nicht neu aber sehr lesenswert - Das Buch "Sound Of The Cities" bietet einen erhellenden Trip durch die Musikmetropolen der Welt

Eher durch Zufall bin ich mal wieder auf ein lesenswertes Musikbuch gestoßen. Mit "Sound Of The Cities" haben die Autoren Ole Löding und Philipp Krohn ein eindrucksvolles Projekt gestemmt. Die beiden leidenschaftlichen Plattensammler und Journalisten bereisten 24 Metropolen, die für ihre kreative Musikszene bekannt sind. Diese werden in vorliegendem Buch vielschichtig portraitiert Dazu wird der Fokus in einem weiteren Kapitel auch auf einige Kreativzentren im Hinterland größerer Städte gerichtet.

 

 Unter anderem reisten die beiden Autoren nach Nashville, Detroit, Seattle, New York City, Los Angeles, London, Paris, Wien und Stockholm – wie erwähnt tauchen als ländliche Ziele in der Recherche jedoch auch Bad Salzuflen, das norwegische Tromsø oder Hibbing in den USA auf. Die heimische Szene ist mit Berlin, Hamburg, Köln und Düsseldorf vertreten. Zu den jeweiligen Orten haben die beiden Autoren eine Playlist mit wichtigen Songs erstellt, die in der jeweiligen lokalen Szene entstanden sind.
       
 Ole Löding und Philipp Krohn trafen sich mit vielen Musikern und Produzenten, streiften durch Plattenläden und tauchten in die Clubszene ein. Dabei herausgekommen sind erhellende Einblicke in die jeweiligen lokalen Musikszenen. Mehr noch, den Beiden gelingt ein nicht nur musikalisches, sondern auch ein gesellschaftliches Panorama dieser "Hot Spots" der Pop- und Rockmusik. Ein "tolles Buch" meint Judith Holofernes von der Band Wir sind Helden und für den langjährigen Genesis-Gitarristen Steve Hackett ist dieser eher ungewöhnliche Ansatz, ein Buch zu schreiben, ein "faszinierendes Thema".

 Man macht Bekanntschaft mit den bodenständigen Rockbands Birminghams, stößt in Antwerpen auf extrovertierte 80er-Jahre-Acts wie TC Matic und taucht in die ganz spezielle Atmosphäre der Musikszene von New Orleans mit ihrer kulturellen Vielfalt ein. Löding und Krohn erinnern an den Produzenten Conny Plank, der Weltstars wie Brian Eno, Gianna Nannini, Eurythmics und Ultravox in sein abgelegenes Studio im Kölner Hinterland lockte und erfahren, dass die Band Can nur sehr bedingt eine Band aus dem Rheinland war. So betont Bandgründer Irmin Schmidt: "Es ist entstanden, weil ich das wollte, und nicht, weil es in Köln war. Ich wäre beinahe in Berlin gelandet, weil viele meiner Freunde an der HfbK Malerei studierten. Und ich schwör’s Ihnen: Can wäre dann in Berlin entstanden!"

 

Waren auch ausgiebig auf Lesetour für ihr Buch: Ole Löding und Philipp Krohn (von links). Foto: Facebook Sound Of The Cities
Waren auch ausgiebig auf Lesetour für ihr Buch: Ole Löding und Philipp Krohn (von links). Foto: Facebook Sound Of The Cities

 Als höchst interessantes Kapitel entpuppt sich beispielsweise die Aufbruchsstimmung der späten 60er-Jahre in der kalifornischen Metropole San Francisco und den damit verbundenen Kreativitätsstau Anfang der 70er-Jahre. Dieser tat nach den Höheflügen von Janis Joplin, Grateful Dead, Jefferson Airplane und Santana einigen Protagonisten besonders weh. So unterstreicht Nick Gravenites – ehemaliger Gitarrist bei Big Brother And The Holding Company und Electric Flag - rückblickend im Interview: "San Francisco war keine Hauptstadt der Musik. Es war ein verschlafenes Kaff wie eh und je." Frischen Wind brachten erst wieder Bands wie die Dead Kennedys, Faith No More, Primus, Counting Crows oder Green Days, die mit Sound am Puls der Zeit weltweit erfolgreich waren. Doch Konflikte innerhalb der Szene waren vorprogrammiert. "Die alten Hippies, die es in den 60ern zu Geld gebracht hatten, verhielten sich in der Stadt wie eine Mafia. Sie kontrollierten alles. Ich hasste sie," resümiert Bill Gould von Faith No More.
 
 Auch wenn seit der Fertigstellung des Buches wieder viel Neues in den Metropolen von Rock und Pop passiert sein dürfte, bleibt "Sound Of The Cities" ein höchst unterhaltsames, sehr gut recherchiertes Buch. Durch die Rückblicke in die jeweilige Pionierzeit der lokalen Musikszenen ist es auch ein Kompendium der Popgeschichte. Wer alles durch hat, dürfte das Business der populären Musik so einigermaßen verstanden haben. Auch wer sich schon viel mit dem Musikbusiness befasst hat, erfährt Neues, und wird sich nach der Lektüre ganz sicher zum einen oder anderen Griff ins Plattenregal verleiten lassen. "Ein großartiges Buch", lobt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Dem ist nichts hinzuzufügen.  

 Hier geht’s zur Facebook-Seite des Buches, auf der auch eine Liste der knapp 160 Musiker/innen abrufbar ist, die von Ole Löding und Philipp Krohn interviewt worden sind. Die Playlists für die jeweiligen Orte wurden bei Deezer angelegt, sie können derzeit von mir trotz Anmeldung bei diesem Musik-Streamingdienst leider nicht abgerufen werden. 

 

 

Sound Of The Cities

415 Seiten

2015 erschienen bei Rogner & Bernhard, ISBN 978-395403-091-0

 

 

Miche Hepp